Wenn für ein digitales Bild für 69 Mio Dollar bezahlt werden oder Venture Capital Gesellschaften Bewertungen von 5 Milliarden US$ aufrufen dann heißt das aktuelle Zauberwort NFT (non-fungible token). Aktuell wird dies insbesondere mit teurer Kryptokunst in Verbindung gebraucht, soll aber in Zukunft noch viel mehr leisten.
Für viele ein wichtiger Teil und Heilsbringer des zukünftigen Internets web3, wahrscheinlich aber doch eher ein Schneballsystem, in dem die wenigsten viel Geld verdienen, die meisten jedoch Geld verlieren werden.
Doch auch wenn sich der Hype nach einiger Zeit in Luft auflöst, so hat man schließlich immer noch alle Rechte an den gekauften Bildern des zugrundeliegenden NFT. Diese sind schließlich “auf der Blockchain” und können nachvollzogen werden. So könnte man meinen.
Dass dem leider nicht so ist, wird in diesem YouTube Video ohne viel technisches Verständnis sehr schön veranschaulicht. Auf YouTube wird oft viel behauptet und ich wollte mir selbst ein Bild darüber machen, woher diese Behauptungen kommen, dass man keine Rechte an den Bildern hat.
Da ich meinen Lebensunterhalt unter anderem mit verhandeln, lesen und interpretieren von Lizenzverträgen bestreite, habe ich mir die zugrundeliegenden Vertragsbedingungen der bekannten NFTs einmal angesehen.
⚠️ Hinweis: Die Analyse der Daten und der Text zu den NFTs ist um das Datum der Veröffentlichung des Artikels geschehen. Da das Thema NFT gerade ziemlich heiß gelaufen und sehr dynamisch ist, können Daten hier schnell veralten und nicht mehr aktuell sein.
Lizenzverträge der NFTs
Technisch basieren die meisten NFTs auf dem ERC-721 Standard der Ethereum Blockchain. Für diesen Standard kann man die NFT Lizenz unter nftlicense.org nutzen, die von Drapper Laps (dem Erfinder der CryptoKitties) als Open Source Lizenz zur weiteren Verwendung angeboten wird. Aus dieser Lizenz zitiere ich im folgenden Text. Die Lizenzen von Tastybones, CloneX sind ähnlich. Nur Bored Apes Yacht Club ist einwenig anders. Hierzu später mehr.
Stand der meistgehandelten NFTs der letzen 30 Tage auf dem Markplatz OpenSea:
Ownership
Wem gehört denn die zugrunde liegende Kunst? Dazu zitiere ich vollständig den Teil unter 2. Ownership:
You acknowledge and agree that Creator (or, as applicable, its licensors) owns all legal right, title and interest in and to the Art, and all intellectual property rights therein. The rights that you have in and to the Art are limited to those described in this License. Creator reserves all rights in and to the Art not expressly granted to you in this License.
Da kommt es gleich richtig. Dem Creator (hier: derjenige, der die Kunst erstellt hat) gehört alles und der Käufer wird mit dem bisschen Rest abgespeist, welches weiter unten definiert ist (described in this License)
Was bekommt der Käufer
Was ist denn das bisschen Rest, welches der Käufer bekommt. Dies ist unter 3. License zu finden. Ich zitiere und kommentiere hier ausschnittsweise:
General use
a worldwide, non-exclusive, non-transferable, royalty-free license to use, copy, and display the Art for your Purchased NFTs
Eine weltweite Lizenz ist gut, aber nicht exklusiv?! Da gibt man mehrere hunderttausende für ein Kunstwerk aus und bekommt es nicht exklusiv? Wenn der Creator also das gleiche Kunstwerk weiterverkaufen will und jemand anderem die gleichen oder umfangreichere Rechte einräumt, dann kann er das tun ohne den Käufer zu fragen.
Noch einmal zur Klarstellung: Es wird nur eine Lizenz gewährt. Trotz “Kauf” findet keine Übertragung der Eigentumsrechte statt! Das ist so als würde man eine Musik CD kaufen. Damit erwirbt man auch nur die Rechte daran die Musik zu hören und dem Käufer gehören nicht die Lieder auf der CD.
solely for the following purposes
Was kann man denn mit der nicht-exklusiven Lizenz machen, die auch noch eingeschränkt wird?
(i) for your own personal, non-commercial use
Man darf es persönlich nutzen, aber nicht kommerziell? Man kann sich das Bild ausdrucken lassen, rahmen und in der Wohnung aufhängen. Dieses gedruckte Kunstwerk darf anschließend aber nicht verkauft und ein Geschäft damit aufgebaut werden. Auch Merchandise wie auf T-Shirts oder Tassen drucken ist verboten.
(ii) as part of a marketplace that permits the purchase and sale of your NFTs, provided that the marketplace cryptographically verifies each NFT owner’s rights to display the Art for their Purchased NFTs to ensure that only the actual owner can display the Art
Man darf es auf einem Marktplatz zeigen. Wow. Wenn man das unnütze Ding also wieder verkaufen will, darf man zeigen, dass man es hat.
(iii) as part of a third party website or application that permits the inclusion, involvement, or participation of your NFTs, provided that the website/application cryptographically verifies each NFT owner’s rights to display the Art for their Purchased NFTs to ensure that only the actual owner can display the Art, and provided that the Art is no longer visible once the owner of the Purchased NFT leaves the website/application.
Die Kunst darf auf anderen Webseiten genutzt werden, aber nur wenn die andere Webseite verifizieren kann, dass mir die Kunst gehört. Es kann daher noch nicht einmal als Profilbild auf Social Media oder in einem Forum verwendet werden, da so gut wie alle Webseite es nicht verifizieren können. Kann dies eigentlich Facebook und Twitter?
Commercial use
Der nächste Absatz beginnt hoffnungsvoll mit den Worten “Commercial Use”. Es scheint, als dürfe man es doch kommerziell nutzen. Was steht denn dort?
a limited, worldwide, non-exclusive, non-transferable license to use, copy, and display the Art for your Purchased NFTs for the purpose of commercializing your own merchandise that includes, contains, or consists of the Art for your Purchased NFTs (“Commercial Use”), provided that such Commercial Use does not result in you earning more than One Hundred Thousand Dollars ($100,000) in gross revenue each year.
Man darf also doch noch seine Bilder und Tassen mit der Kunst verkaufen, solange es einen Jahresumsatz von $100.000 nicht übersteigt. Glück gehabt. Dies gilt weiterhin nicht exklusiv. Es können weiterhin vom Creator zusätzliche Lizenzen der Kunst verkauft werden.
Restiction
Wer glaubt, dass diese wenigen Rechte nicht noch weiter eingegrenzt werden können, der wird nicht enttäuscht. Es folgt ein genauso langer Absatz mit Beschränkungen. Es finden sich jedoch ein paar wirklich liebenswerte Abschnitte darin:
You agree that you may not, nor permit any third party to do or attempt to do any of the foregoing without Creator’s express prior written consent in each case: (i) modify the Art for your Purchased NFT in any way, including, without limitation, the shapes, designs, drawings, attributes, or color schemes (your use of Extensions will not constitute a prohibited modification hereunder)
Sollte die Kunst ein brauner Affe oder grüne Katze sein, so kann man ihnen keine andere Fellfarbe verpassen. Eine Hose anziehen darf man aber (“use of Extensions”), wenn das Bild nur das Gesicht zeigt.
(ii) use the Art for your Purchased NFTs to advertise, market, or sell any third party product or service
Das Bild darf nicht genutzt werden, um eventuell für das eigene Geschäft zu werben, auch wenn es vollkommen unabhängig ist z.b einen Blumenhandel.
(iv) use the Art for your Purchased NFTs in movies, videos, or any other forms of media, except to the limited extent that such use is expressly permitted in Section 3(b) above or solely for your own personal, non-commercial use
Hier wird noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass man darauf achten muss, dass man nicht mehr als $100.000 pro Jahr damit verdienen darf. Enthält beispielsweise ein 90min langer Film eine Szene mit dem Bild, so darf dieser Film nicht mehr als den angegebene Umsatz im Jahr erwirtschaften.
Nach ein paar weitern Einschränkungen kommt jetzt noch ein dickes Ende:
To the extent that Art associated with your Purchased NFTs contains Third Party IP (e.g., licensed intellectual property from a celebrity, athlete, or other public figure), you understand and agree as follows: (w) that you will not have the right to use such Third Party IP in any way except as incorporated in the Art, and subject to the license and restrictions contained herein; (x) that the Commercial Use license in Section 3(b) above will not apply
Wenn das Bild Rechte anderer enthält, wie z.B Sportstars, dann fällt die komplette Klausel mit den Verdienstmöglichkeiten bis $100.000 pro Jahr weg. Beispielsweise darf der Käufer eines Michael Schumacher Bildes keine Tassen mit dem als NFT gekauften Bildes darauf verkaufen.
Auch wenn man kein Geld mehr mit dem Bild von Michael Schumacher mehr verdienen kann, darf es zumindest noch weiter als Profilbild genutzt werden. Bis der folgende Abschnitt kommt….
(y) that, depending on the nature of the license granted from the owner of the Third Party IP, Creator may need to pass through additional restrictions on your ability to use the Art; and (z) to the extent that Creator informs you of such additional restrictions in writing (email is permissible), you will be responsible for complying with all such restrictions from the date that you receive the notice, and that failure to do so will be deemed a breach of this license. The restriction in Section 4 will survive the expiration or termination of this License.
Wenn nun Michael Schumacher erwirkt hat, dass seine Bilder von Twitter gelöscht werden müssen und der Käufer des NFT darüber informiert wurde, so muss auch dieser umgehend die Bilder von Twitter löschen.
Bored Apes Yacht Club
Bei dem bekannten Bored Ape Yacht Club sind die Bedingungen zu kommerziellen Rechten weit weniger eingeschränkt. Dort heißt es:
iii. Commercial Use. Subject to your continued compliance with these Terms, Yuga Labs LLC grants you an unlimited, worldwide license to use, copy, and display the purchased Art for the purpose of creating derivative works based upon the Art (“Commercial Use”). Examples of such Commercial Use would e.g. be the use of the Art to produce and sell merchandise products (T-Shirts etc.) displaying copies of the Art.
Dieses Rechtemodel scheint sich für die Erfinder auszuzahlen. Durch die kommerzielle Nutzung der Käufer sind bereits vielfältige Geschäftsmodelle entstanden, was die Verbreitung erhöht und somit die Attraktivität und den Preis der Bilder noch weiter in die Höhe treibt.
Leider ist nirgends in den Lizenzbedingungen zu finden, ob die Lizenz exklusiv oder nicht exklusiv ist.
Es kommt noch schlimmer
Wer trotz all der beschriebenen Umstände dennoch einen NFT kauft, hofft zumindest, dass das Bild für immer seines ist. Leider gibt es auch hier einen Wermutstropfen. Aufgrund der Größe des Bildes ist diese nicht im Token enthalten, sondern nur ein Link zum Bild. Verkürzt gesagt sieht dies ungefähr so aus:
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Sollte nun wider erwartend der Server nft.example nicht mehr vorhanden sein, gehackt werden oder aus sonstigem Grund nicht mehr auf das Bild zugegriffen werden können (der Besitzer des Servers vielleicht eine Jahresgebühr für die Bereitstellung des Bildes an der richtigen Stelle verlangen) so hat der Käufer:
Gar nichts.
Update 25. April
Die nächste Sau mit dem Namen Moonbirds wird gerade durchs Metaverse getrieben. Vor einer guten Woche für 2,5 ETH geminted steht es jetzt bei einem Floorprice von aktuell 33 ETH.
Da bin ich dann natürlich nicht umher bekommen mir auch einmal hier die Terms anzuschauen. Und siehe da. Wie wenig erwartend die üblichen Klauseln:
worldwide, royalty-free license to use, copy, and display the digital art represented by your Moonbirds NFT (“Art”) […] (i) for your own personal, non-commercial use; (ii) as part of a marketplace […] (iii) as part of a third party website or application that permits the inclusion, involvement, or participation of your Moonbirds NFT
Wie zu erwarten darf man das Bild nur für den persönlichen Gebrauch im Internet nutzen.
Der nächste Absatz startet jedoch erfreulich mit den Worten “Commercial Use”. Anscheinend haben sich die erfolgreichen NTFs ein Beispiel an den Lizenzen vom Bored Ape Yacht Club genommen und erlauben nun auch das Verkaufen von Merchandize. Sie scheinen zu verstehen, dass das Geld mit dem Spekulieren der NFTs gemacht wird und es der Verbreitung der Marke und dem Hype gut tut, wenn die Bilder auf T-Shirts gedruckt werden können:
[…] grants you a worldwide license to use, copy, and display the Art represented by your Moonbirds NFT for the purpose of creating derivative works based upon the Art (“Commercial Use”). Examples of such Commercial Use would be the use of the Art to produce and sell merchandise products (e.g., T-Shirts etc.) displaying copies of the Art.
Es ist zwar immer noch nur eine Lizenz und kein richtiger Besitz, aber ein erster Schritt, um die Käufer nicht komplett auszunehmen. Das ändert allerdings nicht an der Tatsache, dass der Smart Contract des NFT nicht das Bild, sondern nur den Link auf das Bild enthält.
Mit würde auch einmal wirklich interessieren, wer damit nur spekulieren will oder tatsächlich an der Kunst interessiert ist.
Ich spare lieber weiterhin auf ein Selbstportät von Alicja Kwade